Non je ne regrette rien

Béatrice Stössel , 03.02.2023

Béatrice Stössel
Béatrice Stössel

Von den letzten Dingen!

Welche Herausforderung mich diesem Thema zu widmen. Verschieben wir das Thema Tod nicht allzu gerne auf morgen oder übermorgen?

Es soll ein Bezug zu den Ringvorlesungen werden. So zog ich mich augenblicklich in mein Schneckenhaus zurück und grübelte. Meine innere Stimme krakeelte mal laut oder flüsterte leise: «Will ich das? Muss das jetzt sein? Kann ich das überhaupt…schon? Oder höre ich an dieser Stelle einfach auf und schreibe keinen Blogbeitrag mehr?»

Gleichzeitig ertappte ich mich dabei, wie sich dieses Thema leise und unterschwellig in mir breit machte. Schon seit längerer Zeit steht in meinem Schrank, neben den vielen roten Ordnern, etwas zurückversetzt, ein schmaler in schwarzer Farbe, dessen Inhalt sich eben, genau mit meinem Leben und den letzten Dingen beschäftigt.

Immer wieder forderte ich meine Tochter auf, dass wir den Inhalt vom «Schwarzen Ordner» zusammen durchgehen. Sie entzog sich diesem Termin erfolgreich, oder sollte ich ehrlicherweise sagen: WIR verschoben es immer wieder? Kürzlich brachten wir es tatsächlich hinter uns. Es war gar nicht so schlimm. Vielmehr erleichterte es beide.

Mein «Schwarzer» hat diverse Register, hinter denen sich mein Leben verbirgt. Meine Geburtsurkunde, Versicherungsdokumente, meine Krankengeschichte, falls ich doch irgendwann ernsthaft krank werde, und diese Angaben den Ärzten für die Diagnose hilfreich wäre. Dort kann sich meine Tochter bedienen und Auskunft geben, sollte ich dazu nicht in der Lage sein. Und ganz wichtig, die Patientenverfügung, die ich jährlich an meinem Geburtstag unterschreibe und so die Gültigkeit bestätige.

Die Adressen meiner Freunde, die jeweils meinen Jahresbericht erhalten und die auch meine letzte Mitteilung bekommen sollen. Diese Liste bringe ich alle zwölf Monate à jour – inklusive den korrekten Adressetiketten dazu. Heuer musste ich vier Adressen streichen. Zwei, weil sich Menschen von mir oder ich mich von Ihnen distanzierte. Eine dritte, weil die Adressatin sich geistig in eine andere Welt zurückzog und mich nicht mehr erkannte, als ich sie besuchte.

Und die vierte, die schmerzt mich besonders, weil diese Frau, meine liebe Nachbarin, uns voranging. Sie ruht in ihrem geliebten Wald, und immer, wenn wir in der Gegend sind, besuchen wir ihre letzte Ruhestätte.

Tröstlich an meiner Adressliste ist, es kamen im Lauf der Zeit neue Freunde hinzu, ein stetes Kommen und Gehen.

Mein «Lieblingskapitel» im schwarzen Ordner ist die Rubrik: Wo soll man mich zur letzten Ruhe betten und welche Musik muss unbedingt erklingen. Ich nehme es vorweg: Ich will keine römisch-katholischen Salbungstexte hören. Diesem Verein, der es nach über 2000 Jahren immer noch nicht auf die Reihe kriegt, die Ordensleute, welche sich nicht ordentlich benehmen, ohne Wenn und Aber zur Verantwortung zu ziehen, habe ich schon vor Jahren abgeschworen. (So, das musste jetzt sein!)

Ich wünsche mir ganz andere Musik. Als Erstes: Das «Hallelujah» von Leonard Cohen! Es ist ein starkes, schönes Lied, das mir sehr gefällt. Frei übersetzt bedeutet Hallelujah "Lobet Gott!" als Dankeschön für mein gutes Leben.

Gefolgt von: „Non, je ne regrette rien“, von Edith Piaf. In diesem Lied beschwört sie, dass es sicher da oder dort Momente gibt in einem Leben, die man bereuen könnte, doch sind es nicht genau diese Erkenntnisse die einen reifen lassen? Also singe ich mit ihr: C'est payé, balayé, oublié. Je me fous du passé!

Und zum Schluss: “I did it my way”, von Frank Sinatra. Weil er in diesem Song zum Ausdruck bringt, dass jeder seinen Weg geht, gehen muss. Und jeder auf seine Art, bis der letzte Vorhang fällt:

And now the end is near
And so I face the final curtain
My friend, I′ll say it clear
I'll state my case, of which I′m certain
I've lived, a life that's full
I travelled each and every highway And more, much more than this
I did it my way

Und für immer ruhen, möchte ich gleich neben meiner Nachbarin, an diesem schönen Platz unter der alten Buche, an deren Fuss ein kleiner Bach vorbei plätschert und an den ewigen Fluss des Lebens erinnert.

War doch gar nicht so schwer, sich mit den letzten Dingen zu befassen.

Es macht frei!

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