Lassen Sie sich nicht entmutigen

Christine Weiner , 27.05.2021

Christine Weiner
Christine Weiner

Wer schreibt bleibt und wer schreibt will gerne zeigen. Verständlich, da hat man etwa eine Geschichte einsam entwickelt, gekürzt und redigiert - nun soll es jemand auch goutieren und, im besten Fall, für gut befinden! Für viele frische Autor*innen bietet sich da der Freundeskreis und die Familie an. „Kannst du mal eben lesen?“ Und während dann gelesen wird, kauert man im Hintergrund, tut so, als würde man staubwedeln oder das Geschirr abtrocknen, aber alle Sinne sind elektrisiert und beobachten und beäugen den lesenden Menschen, vom dem hoffentlich gleich Jubel zu hören ist. Oh je! In der Regel entpuppen sich solche Erstleser-Rückmeldungen als ein Seelendämpfer, denn wenn es um die eigenen Texte geht, sind Familie und Freunde meist nicht die besten Berater*innen. Erstens lesen nicht alle regelmäßig Romane, Lyrik, Biografien und finden deswegen keinen Standpunkt. Zweitens fühlen sich viele durch diese Bitte überfordert, unsicher und hilflos, wagen aber nicht abzulehnen. Und Drittens hilft Ihnen das, was rückgemeldet wird, in der Regel nicht weiter. „Ganz nett!“ ist einfach keine Rückmeldung, ja es wird im schlechtesten Fall mit Desinteresse gleichgesetzt. Doch Vorsicht! Ihr Gegenüber ist kein Experte, sondern versuchte nur irgendwie zu reagieren – doch schon hängt der Segen schief und die Figuren, die Sie gerade so schön erfunden hatten, verstecken sich ängstlich im Uhrenkasten oder verkriechen sich unter dem Schrank. Sie jetzt wieder hervorzulocken, das ist echte Autorenkunst.

Auch ich wollte in meinen Anfängen meine Schreibkunst mitteilen. Dadurch wurde meine Kreativität, mein Zutrauen und meinen Schwung für eine ganze Zeit erstickt. Ich will es Ihnen erzählen. Damals, ich war etwa 21 Jahre alt, fühlte ich mich mit meinem Liebsten nicht auf Augenhöhe. Oliver, so will ich ihn hier nennen, studierte an einer sehr bekannten Universität und ich war nur eine junge Erzieherin, deren Herzenswunsch es war, Autorin zu werden. An einem Wochenende, er war zu Besuch gekommen, zeigte ich Oliver zitternd eine Handvoll Gedichte, die ich unter der Woche geschrieben hatte. Oliver las. Schweigend. Konzentriert. Und ich knabberte mir derweil aufgeregt einen Fingernagel nach dem anderen ab. Noch heute sehe ich, wie er auf aufrecht am Tisch saß, ein Blatt nach dem anderen prüfend vor sich hielt, um dann – nach quälenden Minuten tonlos und mit müden Blick zu sagen: „Das ist sehr schön, Christine, was du da geschrieben hast. Aber du glaubst doch nicht, dass sich irgendein Mensch dafür interessiert?“ Bumms! Da lag ich, rückwärts umgekippt, auf dem Boden. Na gut, nicht ich, aber meine stille Sehnsucht Autorin zu werden, war wie ein Brett polternd nach hinten umgefallen. Olivers Augen verfolgten, wie ich innerlich zusammensackte. Vorbei war es mit Sonne, Wiese, Wochenende! Heute würde Oliver sich vermutlich anders ausdrücken und ich würde nicht mehr so heulen und jammern, weil ich auch noch glaubte erkannt worden zu sein. Denn damals dachte ich: Oliver muss es doch wissen. Er studiert! Er liest so viel! Hoffentlich schämt er sich nicht für mich! Die Rückmeldung, bzw. das, was ich aus ihr machte, zeigte böse Wirkung. Ab diesem Moment schrieb lange heimlich und es kostete mich Jahre, bis ich verstand, wie und wo man sich Rückmeldung holt, wie damit umgeht.

Anregung Nummer 2

Schützen Sie sich! Zeigen Sie Ihre Texte – besonders dann, wenn Sie noch mitten im Prozess sind – nur den Menschen, die mit diesem Vertrauensbeweis gut umgehen können. Ein echtes Feedback hat Regeln! Es sollte wohlwollend und lösungsorientiert sein. Was gefällt an dem Text? Was könnte noch deutlicher beschrieben sein? Bitten Sie um nachvollziehbare Beispiele und lassen Sie sich Textzeilen zeigen. Deuten Sie nicht in den anderen hinein, sondern versuchen Sie klare Rückmeldungen zu erhalten. Es geht um Textarbeit. Da steckt das Wörtchen „Arbeit“ drin. Aber: Der andere hat Ihnen NUR seine Beobachtungen und seine persönliche Meinung mitgeteilt. Prüfen Sie, was Sie davon annehmen möchten und was nicht. Falls Sie sich unwohl fühlen, unterbrechen Sie das Gespräch, besonders, wenn es an Informationen mangelt, weil der Text vielleicht nur halbherzig und nebenbei gelesen wurde. Am besten schließen Sie sich einer Schreibgruppe an. Hier haben alle die gleichen Regeln, die gleiche Basis und ähnliche Voraussetzungen. Zudem lernt man bei jedem fremden, gemeinsam besprochenen Text mit.

Frage:

Mit wem könnten Sie einen Schreibkreis bilden?

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