Julia Onken: Kirche gesucht

Nach alter Gewohnheit wollte ich wieder einmal einen Festgottesdienst wieder einmal erleben. Da es mich grundsätzlich immer wieder nach meiner Stadt zieht, in der ich aufwuchs, fiel die Wahl nicht schwer: Klosterkirche Kreuzlingen. Unzählige Stunden habe ich in meiner Kindheit dort auf den ungastlichen harten Holzbänken verbracht, vertrieb mir die Zeit mit dem Studium der beeindruckenden Deckenmalerei oder kurvte um meine eigenen Gedanken. Nur wenn der Pfarrer von der Kanzel sprach, hörte ich genau hin. Obwohl er ohne Mikrofon sprach, war jedes Wort zu verstehen, hingegen das eigenartige Arrangement der Dreifaltigkeit von den unterschiedlichen Zuständigkeiten und Funktionen konnte ich damals nicht einordnen.

Das hat sich inzwischen verändert, wenn auch nicht durchgängig. In dem Festgottesdienst in der Klosterkirche war akustisch kein einziges Wort zu verstehen, die flankierenden Zischgeräusche, die von der Mikrofonanalage, die wohl eher als Babyphone für Kinderzimmer konstruiert wurde, war nicht in der Lage, nur einen einzigen Wortlaut von Lesung und Predigt wiederzugeben. Zuerst vermutete ich, es läge an meinem Hörgerät, andere Besucher aber bestätigten mir, ebenfalls nichts verstanden zu haben.

Ich erinnere mich an eine Osternacht, die ich vor einigen Jahren im Münster in Konstanz miterlebt hatte. Da war es genauso. Kein Wort. Kein Satz. Kein Gedanke, einfach nur Störgeräusche. Damals dachte ich, dass das vielleicht eine Ausnahme sei – weit gefehlt.

Ist es da verwunderlich, wenn die Leute scharenweise aus der Kirche austreten und lieber einen Grossevent mit anständigem Sound besuchen? Wenn es möglich ist, Lautsprecheranlagen zu installieren, die mehreren zehntausend Personen einen astreinen Ton zu vermitteln vermögen, sollte es doch möglich sein, in einer Kirche mit einigen hundert Seelen das Wort Gottes hörbar zu machen.