Cornelia Luterbacher: "Ich liebe, was ich tue."

Cornelia Luterbacher, 27.10.2023

Cornelia Luterbacher
Cornelia Luterbacher

Die Welt ist voller starker, erfolgreicher Frauen. Nicht nur die Vergangenheit, sondern auch unsere Gegenwart ist reich an Lebensgeschichten von mutigen, engagierten, neugierigen und oft auch eigensinnigen Zeitgenossinnen, die in ihrem eigenen Leben und in jenem von anderen Menschen Welten bewegen. Eine, die aus dem Vollen schöpft, deren Tage von einer überwältigenden Fülle geprägt sind und die trotzdem mit einer leichtfüssigen Heiterkeit durch das Leben tanzt, ist Cornelia Luterbacher. Ein Gespräch mit der FSB-Dozentin, psychologischen Beraterin, Trauerbegleiterin – und vierfachen Mutter.

Cornelia Luterbacher, du hast viel erreicht und kannst bereits mitten im Leben auf eine bemerkenswerte Laufbahn zurückschauen. Deine persönliche Retrospektive – in wenigen Sätzen:
Die letzten Jahre waren tatsächlich dynamisch, teilweise auch sehr intensiv und herausfordernd – und sie waren geprägt von der Suche nach meiner beruflichen Erfüllung. Heute weiss ich, dass ich trotz vermeintlicher Umwege und einigen Herausforderungen am richtigen Ort angekommen bin. Die Fragmente aus gesammelten Erfahrungen, Qualifikationen und Kompetenzen haben sich perfekt zu einem Ganzen zusammengefügt.

Du hast ursprünglich eine andere Laufbahn eingeschlagen. Nach der Matura wurdest du Sekundarschullehrerin (phil. II). Was hat dich zu jener Berufswahl geführt?
Ich war schon immer ein sehr sozialer, aber auch ein spiritueller Mensch. Unter anderem engagierte ich mich in einer Bibelgruppe; nicht nur aus einer religiösen Motivation heraus, sondern weil ich die Zusammenarbeit und den Austausch mit Menschen mochte. Während der Berufswahljahre zog ich daher ein Studium in Theologie oder Psychologie in Betracht. Beeinflusst von meinem Umfeld entschied ich mich dann aber, Lehrerin zu werden. Allerdings wurde mir schon bald klar, dass ich in diesem Beruf nicht glücklich werden konnte.
Aufgeben war aber keine Option. Ich habe schon als Kind gelernt, durchzuhalten und etwas zu Ende zu bringen. So schloss ich die Ausbildung ab und wurde Sekundarschullehrerin.

Ein Beruf, den du heute tatsächlich nicht mehr ausübst.
Ich war zwar während fünf Jahren Lehrerin, habe aber fünf Jahre lang mit dem Gefühl gekämpft, nicht am richtigen Platz zu sein. Die sozialen Probleme meiner Schüler haben mich häufig mehr interessiert als die schulischen Aspekte.

Wie ging es nach diesen fünf Jahren weiter?
Während meiner Zeit als Lehrerin lernte ich meinen heutigen Mann kennen und gründete mit ihm eine Familie. Vor der Geburt unseres ersten Kindes habe ich meinen Job als Lehrerin an den Nagel gehängt und wurde Familienfrau. Mir war wichtig, für die Kinder da zu sein. Nach den ersten beiden Kindern entschieden wir uns für ein drittes. Daraus wurden dann Zwillinge … Selbstredend folgten anstrengende Jahre, gleichzeitig fehlte mir aber je länger je mehr die geistige Herausforderung.
Durch einen Zufall erfuhr ich vom Frauenseminar Bodensee. Allerdings zog ich eine Ausbildung zuerst gar nicht in Betracht; mein Wunsch war es lediglich, mich persönlich weiterzuentwickeln.

Aber auch das kam ja dann ganz anders …
Ja, in der Tat: Ohne Fernziel, einen Abschluss zu erlangen, stieg ich einfach in einen ersten Kurs am FSB ein. Der personenzentrierte Ansatz des FSB begeisterte mich sehr. Es geht nicht um Bestnoten, sondern um den Menschen mit seiner Geschichte. Negative Schulerlebnisse aus der Kindheit gehen in Heilung. Der Weg zum Lernen wird freigelegt.

Bei dem einen Kurs am FSB blieb es ja dann nicht.
(Lacht) Nein, bei Weitem nicht. Schritt für Schritt ging es weiter. Ich habe die Ausbildung als Psychologische Einzel-, Paar- und Familien-Beraterin abgeschlossen und anschliessend die SVEB I- und SVEB II-Kurse absolviert. Mit dem eidgenössischen Fachausweis als Erwachsenenbildnerin in der Tasche, war ich nun für eine Dozententätigkeit akkreditiert. Den Einstieg als Ausbildnerin beim FSB ermöglichte mir Julia. Dafür bin ich ihr sehr dankbar!

Welche Fächer unterrichtest du am FSB?
Ich unterrichte alle Semester des Lehrgangs «Psychologische Beraterin». Zusätzlich darf ich mein Ergänzungssemester «Trauernde Menschen begleiten» anbieten.

Dein Engagement im Zusammenhang mit diesem Ergänzungssemester hat eine eigene Vorgeschichte.
Ja, das ist richtig. Aufgrund meiner Weiterbildung als Ausbildnerin entwickelte ich im Rahmen meiner Diplomarbeit ein Trauerseminar. Julia öffnete mir eine weitere Türe und bot an, dieses Seminar zu einem kompletten Ergänzungssemester auszubauen.

Trauer: Ein Thema, das du wohl nicht zufällig gewählt hast.
Von 2017 bis 2019 war ich für die Kirche tätig. Ich war zuständig für Bildung und die Gestaltung von Trauerfeiern. Diese Erfahrungen, in Kombination mit verschiedenen Weiterbildungen, lasse ich heute in die Begleitung von trauernden Menschen im Rahmen meiner Praxistätigkeit einfliessen. Dazu gehört auch die Gestaltung von ausserkirchlichen Trauerfeiern. Ein weiteres Angebot im Rahmen meiner selbstständigen Tätigkeit. Abgestützt auf diese breite Basis an Wissen und Erfahrung, konnte ich ein massgeschneidertes Angebot für künftige Beratende entwickeln.

Wie wird dieses Ergänzungssemester am FSB angeboten?
Der 8-tägige Kurs hat bisher zweimal stattgefunden und ist ab Anfang 2024 wieder im Programm. In diesem Jahr (2023) konnten wir das Angebot mit der Reihe «Von den letzten Dingen» aus dem Denkforum um dem Nahtod-Kongress ummanteln. Das war hochspannend und genial!

Kehren wir noch einmal zurück zu deiner Lehrtätigkeit am FSB. Worauf legst du als Dozentin wert?
Mir geht es sehr um die Beziehung zu den Frauen, um den Blick für sie und ihre Biografie. Wenn sie ihre eigene Geschichte aufarbeiten und «aufräumen», haben sie das Werkzeug in der Hand, um gute Beraterinnen zu werden. Sie müssen aber auch zur Selbstreflexion bereit sein. Erst wenn ich mich selber verstehe, verstehe ich das Gegenüber!
Und schliesslich ist es mir auch wichtig, abwechslungsreiche Lektionen zu gestalten, damit die Schülerinnen zum Lernen und Entdecken der Themen über die Schulstunden hinaus angeregt werden.

Neben deiner Tätigkeit als Dozentin hast du dich bereits vor einigen Jahren selbstständig gemacht, arbeitest als psychologische Beraterin und bist anerkannte «Beraterin SGfB». Deine Praxis trägt den sinnigen Namen entfaltbar. Welche Überlegungen haben zu dieser Bezeichnung geführt?
Für mich geht es stets um die Weiterentwicklung des Menschen und seiner Persönlichkeit. Gerade wir Frauen kriechen oft als unscheinbare Raupen durch das Leben und wagen es nicht, uns zu verpuppen. Menschen – Männer und Frauen –, die zu mir in die Praxis kommen, werden bei ihrer persönlichen Entwicklung und Entfaltung begleitet.

Wie gestaltet sich diese Begleitung und welche Angebote finden Ratsuchende in deiner Praxis?
Neben der psychologischen Einzel-, Paar- und Familienberatung im klassischen Sinn liegt ein weiterer Schwerpunkt meiner Tätigkeit, wie erwähnt, auf der Trauerbegleitung. Dazu gehört ein Trauercafé sowie die Trauerfeiergestaltung im ausserkirchlichen Bereich.
Als Ergänzung, z.B. bei traumatischen Erlebnissen nutze ich zusätzlich die Brainlog-Methode: ein modernes, offenes Verfahren, das die neuesten Erkenntnisse aus der Hirnforschung mit den Grundlagen des humanistischen Weltbildes verknüpft. Auf der Basis von Bewusstheit, Wertschätzung und Empathie führt die methodische Weiterentwicklung von bilateralen Therapieformen zu nachhaltigen Heilungsprozessen. Durch bilaterale Stimulation, v.a. mittels Musik und das methodische Verbinden verschiedener Netzwerke im Gehirn, können Reorganisationsprozesse in Gang gesetzt und neue Ressourcen freigelegt werden, zum Beispiel bei Ängsten, Schmerzen, Burnout, Trauer oder Schulproblemen.

Du hast die ausserkirchlichen Trauerfeiern erwähnt. Ein unkonventionelles Angebot.
Viele Menschen distanzieren sich heute von der Kirche. Bei einem Austritt sind sie sich aber oft der Konsequenzen nicht bewusst, z.B. was dies im Todesfall für sie bedeutet. Hier greift mein Angebot der Trauerfeiergestaltung, die ja nicht kirchengebunden sein muss, aber bei den meisten Menschen ein Bedürfnis darstellt, denn jeder Mensch ist spirituell!

Diesen Übergang auf eine heilsame Weise zu gestalten, ist mir sehr wichtig. Dabei stehen die individuellen Wünsche, Bedürfnisse und Vorstellungen der Hinterbliebenen im Zentrum.

Als Zukunftsvision würde ich gerne ein einfaches spirituelles Angebot schaffen um Menschen einen Ort der Besinnung zu schenken.

Schliessen wir den Kreis und knüpfen an die allererste Frage an: Wenn du eine Bilanz über dein bisheriges Berufsleben ziehst, welche Gedanken gehen dir dabei durch den Kopf?
In den vergangenen Jahren habe ich auf vielen Hochzeiten getanzt; das hat sich wunderbar zu einer beruflichen Einheit zusammengefügt. Ich bin beruflich angekommen und finde Erfüllung in all meinen Tätigkeiten. Freilich: Der Spagat zwischen der Familie mit vier schulpflichtigen Kindern und meinen beruflichen Tätigkeiten fordert mich nach wie vor heraus. Ich habe aber eine gute Balance gefunden und kann heute aus Überzeugung sagen: Ich liebe, was ich tue.

In aller Kürze – 6 persönliche Fragen an Cornelia Luterbacher

Welches Buch hat dich am meisten beeinflusst?
Sehr berührt hat mich «Das Märchen vom Tod» von Marie-Claire van der Bruggen.

Welche Menschen haben deinen Werdegang massgeblich beeinflusst?
Meine Familie, im Besonderen mein Mann, meine Schwester und meine Mutter, eine frühere Vorgesetzte und Freundin – und natürlich Julia Onken.

Welches war die beste Entscheidung deines Lebens?

Davon gibt es viele; auch solche, die vermeintlich falsch waren. Sie alle haben mich weitergebracht.

Was empfiehlst du Frauen, die mit dem Gedanken spielen, sich bzw. ihr berufliches Leben zu verändern?

Den Mut, auf ihr Bauchgefühl zu hören, darauf zu vertrauen, dass es möglich ist, ihre Träume umzusetzen, sich aber trotzdem der Verantwortung bewusst bleiben, die eine Frau z.B. auch ihrer Familie gegenüber hat. Gerade wenn Kinder da sind, ist es oft sinnvoll, vorerst in kleinen Schritten Veränderungen umzusetzen.

Das Frauenseminar Bodensee ist aus meiner Sicht … ein Ort, an dem du dich findest und sich neue Wege eröffnen.

Cornelia Luterbacher, www.entfaltbar.ch

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